Im Juli 1990 hat Ornish und Mitarbeiter in Lancet,1990 die Ergebnisse des Lifestyle-Heart-Trial von San Francisco veröffentlicht. Zum ersten Mal konnte beim Menschen nachgewiesen werden, dass durch Veränderung des Lebensstils ohne Einsatz von lipidsenkenden Medikamenten das Gesamt-Cholesterin sowie das LDL-Cholesterin signifikant gesenkt werden können, und dass gleichzeitig durch Beachtung des Programms eine Verringerung und Rückbildung der Koronarsklerose erzielt werden kann. Diese Befunde wurden durch die quantitative Koronarangiographie sowie durch die Positron-Emissions-Tomographie (PET), JAMA,1996 erhoben. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Compliance und Rückbildung der Stenosen besteht. In der 5-Jahres-Analyse, JAMA, 1998 wurden in der Kontrollgruppe nahezu doppelt so viele Ereignisse (PTCA, Herzinfarkte, ACVB und Krankenhausaufnahmen) beobachtet wie in der Studiengruppe. Die Patienten in der Kontrollgruppe wurden von ihren Hausärzten und Internisten entsprechend den damals üblichen therapeutischen Vorgaben behandelt.
1991/92 wurde zusammen mit Mitarbeitern von Dean Ornish in der Albert-Schweitzer-Klinik in Königsfeld eine Pilotstudie durchgeführt, in der überprüft werden sollte, welche Besonderheiten und Möglichkeiten bei der Durchführung dieses Programms bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit in Deutschland auftreten würden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in der Zeitschrift für Kardiologie,1995 veröffentlicht.
Aufbauend auf den Ergebnissen von Ornish und den eigenen Erfahrungen aus
einer Pilotstudie (1991/92), wurde das Lifestyle-Interventionsprogramm
entwickelt, das seit 1993 in das laufende Klinikprogramm der Albert
Schweitzer Klinik implementiert ist. Im Zeitraum von Anfang 1993 bis
Ende 1996 durchliefen 148 Herzpatienten das Programm. Die
Kontrollgruppe ist eine aus 296 Herzpatienten bestehende Gruppe,
die post hoc nach den Kriterien Alter, Geschlecht, Krankheit,
Einweisungsmodus und -zeitraum parallelisiert wurde. Während die
Kontrollgruppe das normale Routineprogramm einer kardiologischen
Rehabilitationsklinik absolvierte, durchlief die Lifestyle-Gruppe das
adaptierte Ornish-Interventionsprogramm. Das Projekt stellt eine
Kohorten-Katamnese dar mit einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von
17,4 Monaten und einer Spannweite von 3 bis 36 Monaten. Diverse
biomedizinische und psychosoziale Maße wurden bei Reha-Beginn, Reha-Ende
und in der Katamnese erfasst. Darüber hinaus wurden in der Katamnese
Parameter der Lebensqualität, des Verhaltens und Befindens sowie
klinisch relevante Symptome dokumentiert. Aus dem Datenpool von
insgesamt 278 Patienten konnten entsprechend den o.g. fünf
Parallelisierungsbedingungen 85 Paare gefunden werden.
Die
Resultate des Projekts zeigen, dass hinsichtlich Ernährung,
Streßmanagement-Programm und körperlicher Aktivität bei motivierten
Patienten mit koronarer Herzkrankheit ein umfassendes
Rehabilitationsprogramm zur Änderung des Lebensstils auch in Deutschland
möglich ist. In den meisten biomedizinischen Maßen und verschiedenen
Parametern der Lebensqualität lassen sich im Vergleich zur
Kontrollgruppe entscheidende Verbesserungen in Richtung einer Steigerung
von Gesundheit, Wohlbefinden und Selbstverantwortung nachweisen. Die
Befunde sind mit denen der Originalstudie von Ornish weitestgehend
vergleichbar. Außerdem wird deutlich, dass die Teilnahme der Partner an
den Gruppentreffen und die unterstützende Wirkung der Gruppe für die
Compliance von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Der
Gruppenvergleich zwischen Lifestyle- und Kontrollgruppe zeigt, dass
Lifestyle-Patienten sowohl bei Klinikentlassung als auch zum Zeitpunkt
der Nachbefragung ein signifikant niedrigeres Gesamt- und
LDL-Cholesterin sowie einen niedrigeren diastolischen Blutdruck haben
als die Kontrollgruppe. Sie sind objektiv signifikant höher belastbar,
schätzen sich subjektiv zufriedener mit ihrer Belastbarkeit ein und sind
weniger häufig berentet. Darüber hinaus haben sie tendenziell weniger
Herzschmerzen, leiden signifikant weniger unter Atemnot in Ruhe und
fühlen sich erheblich weniger geschwächt. Weiterhin halten sie sich auch
eher an das erlernte Stressmanagementtraining und Bewegungsprogramm.
Ihre gesunde Ernährung, ihre Stressverarbeitungsfähigkeit und ihre
Freizeitaktivitäten sind ihnen wichtiger als den Kontrollpatienten.
Weniger wichtig sind ihnen Anerkennung und Erfolg. Sie wünschen sich
verstärkt die Unterstützung und Geborgenheit durch andere und glauben
auch eher daran, Gefühle zulassen zu können. Sie fühlen sich durch ihre
Krankheit und Therapie weniger beeinträchtigt in ihrer Wohnsituation,
ihrer gesunden Ernährung, der Unterstützung und Geborgenheit durch
andere, ihrer Fähigkeit zu positivem Denken, ihrer
Stressverarbeitungsfähigkeit und ihren Freizeitaktivitäten. Sie neigen
weniger zur Krankheitsverleugnung und wollen sich verstärkt mit jemandem
aussprechen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
umfassende und einschneidende - stationär eingeleitete und ambulant
fortgesetzte – Änderungen des Lebensstils von deutschen KHK-Patienten
angenommen und größtenteils auch beibehalten werden. Sie führen im
Vergleich zu konventionell rehabilitierten Patienten zu signifikant
positiveren Auswirkungen auf KHK-relevante Parameter, zu einer
deutlichen Verbesserung des subjektiven Befindens und zu einer größeren
psychosozialen Offenheit sowie zu einer höheren Lebensqualität, die sich
letztendlich in einer höheren Bereitschaft und Fähigkeit zur
Arbeitswiederaufnahme niederschlägt.
Die Autoren Dr. Brusis
& Dr. Safian erhielten dafür 1998 den Meise-Preis der Deutschen
Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation (DGPR).